IW-Trends

Standards verbinden die Wirtschaft

Die Sprache der Wirtschaft

Im internationalen Geschäftsleben ist Englisch als Verkehrssprache etabliert. Bildungssysteme in aller Welt sind darauf ausgerichtet, Englisch ist Standard. Das erleichtert die Zusammenarbeit zwischen Menschen verschiedener Herkunft – Texte müssen nicht übersetzt werden, Konferenzen können ohne Dolmetscher stattfinden, Missverständnisse werden vermieden.


Standards sind wesentliche Bestandteile einer funktionierenden Wirtschaft. Denn sie sparen Zeit und Geld. Bestes Beispiel: die Einführung des genormten Frachtcontainers, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Welthandel revolutionierte. Ob Schiff, Zug oder Lastwagen – der Container bleibt immer derselbe. Die gesamte Logistikbranche ist mit ihren Hafenanlagen, Güterbahnhöfen und Verladestationen auf die Einheitsmaße eingestellt. Der Wechsel vom Wasser auf das Land ist deshalb schnell und kostengünstig möglich. Die Standardisierung hat die Effizienz deutlich erhöht.


In einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft sind Standards besonders wichtig. Damit Maschinen und Produkte untereinander kommunizieren können, müssen sie eine gemeinsame Sprache sprechen. Das heißt, Bauteile und Produktionsschritte brauchen standardisierte Bezeichnungen und auch deren Übermittlung muss auf standardisierten Wegen erfolgen. Andernfalls kommt es zu Friktionen an den Schnittstellen. Informationen können dann nicht reibungslos ausgetauscht werden. Das verhindert die Automatisierung von Arbeitsabläufen und die Vernetzung der Unternehmen – ohne Standards ist die Industrie 4.0 nicht denkbar. In der Forschung spielt der Zusammenhang zwischen der Digitalisierung und fehlenden Standards allerdings bislang eine untergeordnete Rolle, wie eine Untersuchung des IW ergab.

Wozu braucht die Wirtschaft Standards?

eCl@ss-Manager Thorsten Kroke gibt die Antwort.

Beispiel eCl@ss: Der branchenübergreifende Datenstandard wird derzeit von rund 3.500 Unternehmen weltweit eingesetzt, um Produkte zu klassifizieren und deren Merkmale – etwa die Größe, Farbe und Einsatzgebiete – in eine einheitliche Datensprache zu übertragen. Durch eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen werden Produkte oder Dienstleistungen eindeutig definiert. Da die Systematik immer gleich ist, können Maschinen mit dieser Kombination – der eCl@ss-Nummer – arbeiten und sie zur automatisierten Kommunikation nutzen. Und das überall auf der Welt: Eine Übersetzung komplizierter Beschreibungen von Bauteilen entfällt. Das spart Zeit und Kosten und ermöglicht so eine vernetzte und globale Wertschöpfungskette.

85 Prozent der Unternehmen schreiben Standards eine wichtige Rolle bei der Digitalisierung zu.

Studie: Standards und die digitale Transformation

Die Bedeutung von Standards für die digitale Transformation belegt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) mit knapp 1.200 Unternehmen: Demnach schreiben 85 Prozent der Unternehmen Standards in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu. Umgekehrt betrachten fast zwei Drittel der Firmen fehlende Normen und Standards als Hemmnis für die Digitalisierung. Insbesondere Unternehmen, die bereits teilweise digitalisiert sind, sehen sich durch das Fehlen von Standards eingeschränkt.


Immerhin 39 Prozent der Unternehmen haben in den vergangenen zwei Jahren neue Standards eingeführt. Damit reagieren sie einerseits auf Wünsche von Kunden: Laut der IW-Studie waren für 85 Prozent der Unternehmen, die Standards eingeführt haben, Kundenanforderungen ein wichtiger Faktor. Andererseits standardisieren Unternehmen auch aus eigenem Antrieb: Mögliche Kosteneinsparungen waren für 76 Prozent von ihnen ein wesentlicher Anreiz. 69 Prozent haben zudem aufgrund des Wettbewerbsdrucks standardisiert – das gilt insbesondere für umsatzstärkere Unternehmen.


Wegen der besonderen Bedeutung von Standards für die Digitalisierung ist es folgerichtig, dass digital-affine Unternehmen besonders häufig auf Standardisierung setzen. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass kürzlich Standards eingeführt wurden, bei Unternehmen mit einer Digitalisierungsstrategie mehr als doppelt so hoch als bei weniger digital orientierten Unternehmen.

Doch obwohl so viele Unternehmen die Bedeutung von Standards für ihre Entwicklung erkennen, haben mehr als 60 Prozent von ihnen zuletzt nicht an einer weiteren Standardisierung ihrer Wertschöpfungsketten gearbeitet. Die Gründe dafür sind vielfältig: Der am häufigsten angegebene Grund ist ein unklares Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Einführung von Standards. Doch auch der mangelnde Einsatz von Standards bei Kunden und Lieferanten stellt für mehr als die Hälfte der Firmen ein Hemmnis dar. Dieser Befund belegt die Bedeutung von Netzwerkeffekten für die Standardisierung – je mehr Unternehmen auf standardisierte Produkte und Systeme setzen, desto attraktiver wird deren Nutzung für andere Unternehmen innerhalb der Lieferkette.


Standards können sich auf unterschiedliche Weise in der Wirtschaft etablieren: Einerseits kann die Politik technische Normen für unterschiedliche Wirtschaftsbereiche festlegen. Häufiger entstehen Standards jedoch aus der Praxis der Unternehmen, die sich im Laufe der Zeit auf einen gemeinsamen De-facto-Standard einigen. Bei den zunehmend komplexen Wirtschaftsbeziehungen in der globalisierten Welt ist die Entwicklung gemeinsamer Standards aber schwierig. Das führt zu einem Henne-Ei-Problem: Das Fehlen von Standards bei Geschäftspartnern mindert die Anreize, selbst Standards einzuführen. Um die digitale Transformation und damit Wachstumsperspektiven zu fördern, sollte die Politik deshalb die Bedingungen für die Standardisierung verbessern. Dazu gehört auch, dass sich die Bundesregierung auf europäischer und globaler Ebene für internationale Standards einsetzt.

Was hindert Unternehmen an der Standardisierung?

IW-Ökonomin Barbara Engels über die Studienergebnisse